Erster Arbeitsbericht aus der Erfolgsgeschichte 1 „Übergreifendes, prädiktives Industrial Engineering“ von Volkswagen (UC1)

Im Rahmen des Use Case 1 (UC1) werden datengetriebene Methoden und Werkzeuge entwickelt, die ein ganzheitliches Produktivitätsmanagement im Industrial Engineering (IE) unterstützen. Das Kompetenzportfolio des IE wird um Methoden und Werkzeuge des Industrial Data Science erweitert. Durch die Implementierung von datenbasierten Entscheidungsunterstützungen entlang des Produktentstehungsprozesses und in der Serienphase wird der Fokus stärker auf die Gestaltungsaufgaben im IE gelegt. Durch die Integration, Aufbereitung, Analyse und kontextbezogene Bereitstellung von bereits vorhandenen Daten, wird im Unternehmen bereits vorhandenes Wissen zum Produktivitätsmanagement leichter zugänglich.

Einführung in den Use Case von Volkswagen

Der UC1 fokussiert die Anwendung von industriellen Datenanalysen im Rahmen der Arbeitsprozessgestaltung und -optimierung. Heute sind Gestaltungs- und Optimierungslösungen für manuelle Arbeitsprozesse in der Fertigung stark von den beteiligten Personen und deren Erfahrungswissen abhängig. Zukünftig wird durch die automatisierte Analyse von Prozessdaten der manuelle Aufwand zur Identifikation von relevanten Daten stark reduziert. Ausgehend von dem hohen Methodenniveau und Expertenwissen zur Arbeitsprozessgestaltung und –optimierung werden die Industrial Engineers auf Basis der automatisiert bereitgestellten Analyseergebnisse effektiver und effizienter ihre Gestaltungsaufgaben wahrnehmen können.

Organisatorischer Rahmen und Zusammenarbeitsmodell des UC1

Der UC1 „Übergreifendes, prädiktives Industrial Engineering“ stellt einen von acht Use Cases im Forschungsprojekt AKKORD dar. Im Zuge der Bearbeitung der Use Cases erfolgt eine enge Zusammenarbeit von Forschungs-, Entwicklungs- und Anwendungspartnern. Durch die Umsetzung an konkreten Beispielen aus der industriellen Praxis werden bereits während der Projektbearbeitung die im Rahmen der Arbeitspakete bearbeiteten Inhalte validiert.

Der UC1 wird durch das Konzern Industrial Engineering der Volkswagen AG (Konzern IE) geleitet. Das Konzern IE verantwortet die konzernweite Strategie- und Methodenentwicklung für die Berufsfamilie Industrial Engineering im Volkswagen Konzern. In dieser Rolle wird eine Treiberfunktion wahrgenommen, um mit Hilfe von Industrial Data Science Anwendungen das Kompetenzportfolio des IE innerhalb der Volkswagen AG zu erweitern.

Im UC1 erfolgt die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von datenbasierten Entscheidungsunterstützungen schwerpunktmäßig mit der RapidMiner GmbH und dem Institut für Produktionssysteme der Technischen Universität Dortmund.

Für einen erfolgreichen Einsatz datenbasierter Entscheidungsunterstützungen ist jedoch auch ein angepasstes Changemanagement unerlässlich. Die Zusammenarbeit des Konzern IE mit der mosaiic GmbH stellt die Entwicklung eines spezifischen Changemanagements zur Erhöhung der fachlichen Wirksamkeit des UC1 in den Mittelpunkt.

Vorgehensweise zur gemeinsamen Bearbeitung des UC1

Für die Umsetzung der datenbasierten Entscheidungsunterstützung wird ein dreistufiges Vorgehensmodell verfolgt:

  • Entwicklung einer Methodik zur Identifikation von gleichartigen Arbeitssystemen
  • Entwicklung eines Benchmarkings zum automatisierten Vergleich bzw. Bewertung gleichartiger Arbeitssysteme in IT-Systemen zur Arbeitsprozessgestaltung und -optimierung
  • Entwicklung und Implementierung von Data Mining-Verfahren zur situativen und kontextbezogenen Bereitstellung von Vorschlägen zur Prozessgestaltung und -optimierung

Der bisherige Bearbeitungsstand des dreistufigen Konzeptes ist entsprechend folgender Pipeline organisiert und wird in der Software RapidMiner Studio umgesetzt.

Im Rahmen der Datenbeschaffung wurde zunächst untersucht, inwieweit bereits existierende Informationen für die angestrebten Analyseschritte erschlossen werden können. Als Datenbasis dient ein IT-System, das zur Gestaltung, Optimierung und Dokumentation von manuellen Arbeitsprozessen für Fahrzeuge, Aggregate sowie Komponenten über den Produktlebenszyklus hinweg genutzt wird.

Zur Identifikation von einzelnen gleichartigen Arbeitssystemen innerhalb der verschiedenen Arbeitsprozesse werden Text Mining Verfahren herangezogen. Die Arbeitsvorgangsbeschreibungen werden auf ihre inhaltliche Ähnlichkeit untersucht. Dafür wurde unter anderem die Identifizierbarkeit einzelner Bauteilbezeichnungen über Sprachgrenzen hinweg in verschiedenen Prozessplänen der Montage näher betrachtet. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich die textuellen Beschreibungen der Arbeitsvorgänge durch Entitäten abbilden lassen.

Die Abbildung der textuellen Beschreibungen als Entitäten ermöglicht die Identifizierung und Zusammenführung inhaltlich ähnlicher Arbeitsvorgänge unter Berücksichtigung des zugehörigen Bauteils. Die Linienpläne der Montage können somit zu bauteilbezogenen aggregierten Prozesssequenzen zerlegt werden. Diese Prozesssequenzen stellen die Basis für den anschließenden Vergleich ähnlicher Arbeitssysteme dar. Für das zu entwickelnde Ähnlichkeitsmaß werden zukünftig neben der textuellen Analyse weitere Daten u.a. mit Kontextinformationen zu den betrachteten Arbeitsvorgängen zur Verdichtung und Spezifizierung der Analyseergebnisse einbezogen.

Das Ähnlichkeitsmaß bildet die Grundlage für die weitere Entwicklung einer datenbasierten Entscheidungsunterstützung im Kontext der Arbeitsgestaltung und –optimierung. Die Entwicklung des automatisierten Benchmarkings und der automatisierten Vorschlagsgenerierung stellen die nächsten Schritte auf dem Weg zur Implementierung von industriellen Datenanalysen im IE dar.

Das Benchmarking ermöglicht den Vergleich der identifizierten Prozesse bzw. relevanten Arbeitsvorgänge. Der Arbeitsgestalter kann die aus dem Benchmarking gewonnen Erkenntnisse bei der Gestaltung bzw. Optimierung seiner Arbeitsprozesse berücksichtigen. Mit Hilfe der Vorschlagsgenerierung soll der Arbeitsgestalter konkret situative und kontextbezogenen Vorschläge erhalten.

Im ersten Arbeitsbericht aus dem Leistungsbereich „Analysemodule und Konfiguration“ wird der Gedanke modularer Analysebausteine weiterausgeführt.


Das zweite Handlungsfeld des UC1 erfasst die Aktivitäten zur Entwicklung eines Data Analytics-spezifischen Changemanagements. Die gewählte Vorgehensweise lässt sich wie folgt abbilden:

Die eingesetzte Methode „Persona“ (auf dem zweiten Konsortialtreffen in Kaiserslauern) setzt dabei eine abstrahierende Sichtweise auf die potenziellen Nutzer ein und ermöglicht somit die Ableitung konkreter Nutzeranforderungen an die Ausgestaltung datenbasierter Entscheidungsunterstützungen für die Arbeitsprozessgestaltung und –optimierung. Im Anschluss erfolgte die Identifizierung von relevanten Zielgruppen für das Changemanagement. Mit Hilfe einer Stakeholder-Analyse wurden die identifizierten Zielgruppen hinsichtlich der Faktoren Einfluss und Betroffenheit untersucht und in einem nächsten Schritt in eine Abhängigkeitsanalyse entlang des Produktentstehungsprozesses überführt. Im Fokus steht derzeit die Entwicklung und Integration einer Change Maßnahme in das Konzept eines unternehmensinternen Fachforums „Industrial Data Science für das Industrial Engineering“. Im Zuge dieses Fachforums ist es geplant, spezifische Change Maßnahmen für Data Science Anwendungsfälle zu erproben – zukünftig sind diese auch generalisierbar bzw. können auf andere Anwendungsfälle abstrahiert werden.

Zusammenfassung und Ausblick auf die weiteren Forschungsziele

Das Ähnlichkeitsmaß stellt den ersten Teilschritt eines dreistufigen Vorgehensmodells dar. Im kommenden Projektjahr werden darauf aufbauend das automatisierte Benchmarking und die Vorschlagsgenerierung detailliert und anschließend operationalisiert. Ferner wird die entwickelte Change Maßnahme begleitend im Rahmen eines internen Fachforums validiert.

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